|Rezension| Pasteurgasse 4, täglich – Andrea Landfried
Wenn Frauen lieben…
„Ich sah damals nicht, was um mich herum geschah, ich war nur im Innen. Ruth hatte mich in dieses Innen gezogen, und da war es viel schöner und interessanter als im Außen (…) Fast wie ein Junkie, der sich nur noch für seine Rauschzustände interessiert und dem alles um ihn herum und alles Äußere wie sein Aussehen und sein Essen und seine Arbeit egal sind, zu so einem Junkie hat Ruth mich gemacht. Dass ich eigentlich nur noch dahin zurückwill, innerlich, wo ich mit Ruth war, in diese warme und ja: ekstatische Welt.” (S.52)
Inhalt
Eine junge Gesangsstudentin in Wien verliebt sich in die verheiratete Fotografin Ruth. Jeden Tag, bevor Ruth ihre Tochter von der Schule abholt, teilen sie genau zweieinhalb Stunden miteinander, zwei Jahre lang. Zu Beginn ihrer sinnlichen Erkundungen hatte Ruth sie gewarnt: Das Einzige und zugleich Wichtigste, was sie ihr versprechen könne, sei, dass sie ihr nichts vormachen werde. Eine Frau begleitet ihren Mann zu dessen Forschungsaufenthalt nach Kalifornien. Dort lernt sie die wesentlich ältere Angela kennen. Trotz der vielen Jahre und Kilometer, die sie trennen, entsteht eine zerbrechliche erotische Nähe zwischen ihnen. Sarah verfällt ihrer Psychotherapeutin. Als Sarahs Verhalten immer obsessiver wird, lässt die Therapeutin sie gegen ihren Willen einweisen, ein psychiatrischer Höllentrip beginnt. Bei einem Besuch im Sanatorium rät man ihr: »Und jetzt lässt du es dir mal richtig gut gehen.« Andrea Landfried entwirft drei Variationen weiblichen Begehrens, das zugleich ein Aufbegehren ist, gegen soziale Zwänge und psychische Muster, gegen Rollenerwartungen. Die Sehnsucht der Frauen, wirklich zu sehen und gesehen zu werden, sich zu öffnen, triumphiert immer wieder über die Angst, aus dem gesellschaftlichen Rahmen zu fallen. Die Frauen gehen das Wagnis ein, sich zu zeigen und alles zu fühlen – eines der größten Wagnisse im Leben.
Mein Eindruck
Ich habe mich völlig blind in die Lektüre von “Pasteurgasse 4, täglich” gestürzt und war nach dem Ende der ersten Geschichte, die zugleich die namensgebende Erzählung ist, überrascht, dass es sich bei dem Buch um keinen Roman handelt. Thematisch sind die Erzählungen insofern verbunden als dass sie sich um Sehnsüchte von Frauen, die Frauen lieben, drehen. In jeder Erzählung steht eine Frau im Zentrum, die eine andere Frau begehrt. In jeder Erzählung gibt es ein Machtgefälle zwischen den Frauen. Dabei ist die Erzählerin immer diejenige, die eine Frau begehrt, die vermeintlich über ihr steht. Dass sich dadurch keine gesunde Liebesbeziehung entwickelt, ist vorprogrammiert.
Mein Fazit:
“Pasteurgasse 4, täglich” ist eine interessante Lektüre über das weibliche Begehren, die viele Denkanstöße gibt. Ich fand eine Geschichte sehr gut, eine gut und eine weniger gut. Ich möchte definitiv noch mehr von der Autorin lesen – am liebsten einen Roman. Als Appetithappen war dieses Büchlein gut. Als Hauptspeise ist es jedoch eher ungeeignet. Ich möchte mehr!