|Rezension| Verzweiflungstaten – Megan Nolan

von | Okt 28, 2021 | 0 Kommentare

Ein schonungsloser Roman über eine obsessive Liebe

Verlag: Blumenbar
Gebundene Ausgabe: 20,00 Euro
Ebook: 4,99 Euro
Erscheinungsdatum: 16.08.2021
Seiten: 304

„Es ist ein seltsames Gefühl, zu wissen, dass du nie wieder mit der Art Mensch zusammen sein wirst, die dir gezeigt hat, was Liebe ist, deren Abdruck nie verblassen wird.“ (S.231)

Inhalt

Die Ich-Erzählerin, eine junge Frau, trifft in Dublin in einer Galerie Ciaran, „den schönsten Mann der Welt”, und verliebt sich Hals über Kopf in ihn. Sie haben eine kurze, intensive Beziehung, dann bleibt sie allein zurück, schwankend zwischen Unabhängigkeit und dem Wunsch, begehrt zu werden, auch wenn sie instinktiv spürt, dass Ciaran nicht gut für sie ist. Eine aufrichtige Selbstbeobachtung, die Geschichte eines weiblichen Begehrens, das sich hinwegsetzt über die eigenen Bedürfnisse – verletzlich und hypnotisch – von einer der aufregendsten neuen Stimmen der Literatur.

Mein Eindruck

Die namenlose Protagonistin verliebt sich in Ciaran. Schnell wird klar, dass man es hier nicht mit “everybodys darling” zu tun hat. Er ist sehr verschlossen, kalt und manchmal richtig gemein zu ihr. Trotzdem hält sie an ihm fest und beteuert sich selbst und den Leser:innen immer wieder, wie verliebt sie in ihn ist. Sie lässt sich erniedrigen, immer wieder einlullen – blickt man von außen auf die Beziehung, ist schnell klar: sie ist toxisch. Ein typisches Anzeichen für solch eine Beziehung ist die Idealisierung des Partners und dessen Verteidigung im Freundes- und Familienkreis. Megan Nolan erzählt genau solche Szenen in “Verzweiflungstaten” sehr authentisch und ganz ohne Wertung. Die Protagonistin wird nicht als junge, naive Frau, die auf ein unempathisches Arschloch reinfällt, beschrieben, sondern als eine von uns. Es ist erschreckend wie oft man sich in ihr wiederfindet. 

Die Autorin beschreibt sehr schön wie es ist, sich zu verlieben. Wie der Mensch, den man durch die rosarote Brille betrachtet, wie ein Geschenk Gottes wirkt – absolut perfekt für einen. Sie beschreibt aber auch wie dieses Gefühl ins Wanken gerät, wie erste Zweifel und Unsicherheiten aufkommen, die irgendwann zu Angst werden – Angst, etwas falsch zu machen, Angst, den scheinbar perfekten Partner zu verlieren.

Bei toxischen Beziehungen stehen die Bedürfnisse des einen Partners im Vordergrund und werden dominant eingefordert. Der andere Partner hat die Aufgabe, diese Bedürfnisse zu erfüllen. “Verzweiflungstaten” ist das Porträt einer Frau, die für die Liebe zu einem Mann fast bis hin zur Selbstaufgabe geht, um seine Bedürfnisse zu erfüllen. Deshalb ist dieser Roman keine Lektüre, in die man sich fallen bzw. von der man sich einhüllen lässt. Vielmehr möchte man die Protagonistin entweder in die Arme nehmen oder anschreien, dass sie sich endlich von diesem Mann lösen soll.

Selbst wenn man als Leser:in (noch) die rosarote Brille aufhat, sollte die Sicht nach der Lektüre dieses Buches wieder etwas klarer werden. Denn während man im echten Leben in solchen Situationen meist nicht empfänglich für Ratschläge von außen ist, macht dieser Roman etwas mit einem, indem er unangenehme Wahrheiten schonungslos anspricht und selbstzerstörerisches Verhalten in all seiner Bandbreite aufzeigt. Daneben hat Megan Nolan mit ihrer namenlosen Protagonistin eine Figur geschaffen, die im Laufe der Geschichte  vielleicht einige falsche Entscheidungen trifft, aber dadurch auch eine wichtige Entwicklung durchmacht.

Nach der Lektüre des Romans habe ich mich gefragt, ob dieser Phänomen der Selbstzerstörung in einer Beziehung ein typisch weibliches ist und wenn ja, warum das so ist. Warum sind (meist) Frauen so blind für das toxische Verhalten von Männern? Warum begeben sie sich in eine Abhängigkeit, aus der viele den Absprung nicht schaffen? Recherchiert man zum Thema “toxische Beziehungen”, liest man, dass es vor allem Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl sind, die in solchen Beziehungen landen. Neigen Frauen eher zu einem geringen Selbstwertgefühl? Darüber kann man wohl länger debattieren…

Mein Fazit:

Megan Nolans Debüt-Roman „Verzweiflungstaten“ ist eindringlich, bedrückend, fesselnd, schonungslos und stimmt nachdenklich. In einem einzigartigem Stil zeigt sie mit dieser Geschichte, wie Menschen in Beziehungen landen, die sie (fast) bis zur Selbstaufgabe und zu “Verzweiflungstaten” zwingen und leistet damit wichtige Aufklärungsarbeit über toxische Beziehungen, die noch dazu fesselnd erzählt wird.

Vielen Dank an den Blumenbar Verlag für dieses Rezensionsexemplar.
 
 
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