|Rezension| Unvollkommene Verbindlichkeiten – Lena Andersson

von | Mai 25, 2017 | 1 Kommentar

Ein toller Roman (wenn man den 1. Teil nicht kennt)

Verlag: Luchterhand
Originaltitel:  Utan personligt ansvar
Übersetzung: Gabriele Haefs
Gebundene Ausgabe: 18,00 Euro
Ebook: 13,99 Euro
Erscheinungsdatum: 10.04.2017
Seiten: 384

„Ester Nilsson mit ihrem genauen Verhältnis zur Sprache hatte sich in einen Mann verliebt, für den Wörter nur Varianten von Geräuschen waren; während sie bei jeder Handlung die exakte sprachliche Wiedergabe suchte, benutzte Olof die Klangbilder und die Wortzusammensetzungen, von denen er gelernt hatte, dass sie zusammengehören.“ (S.357)

Worum geht´s?

Nichts ist komplizierter als die Beziehung zwischen Mann und Frau. Das muss auch Ester Nilssons feststellen, Mitte dreißig und von Beruf Journalistin und Dichterin. Fünf Jahre sind vergangen seit ihrer unglücklichen Liebesbeziehung mit dem Künstler Hugo Rask, und Ester hat sich vorgenommen, dass ihr so etwas nie mehr passieren wird: einen Mann zu lieben, der sich nicht festlegen und ganz zu ihr bekennen will. Dann trifft sie bei einer Theaterprobe den Schauspieler Olof und verliebt sich Hals über Kopf in ihn. Olof macht kein Geheimnis daraus, dass er verheiratet ist. Trotzdem trifft er Ester. Die beiden gehen eine Beziehung ein, von der Olof behauptet, es sei keine. Er hat schließlich nicht vor, seine Frau zu verlassen. Also worauf wartet Ester?

Cover und Titel

Sowohl Cover als auch Titel bilden eine perfekte Symbiose mit der Taschenbuchausgabe des ersten Romans (“Widerrechtliche Inbesitznahme”) der Autorin. Der Titel ist wieder ein juristischer Fachbegriff, der im Liebesroman-Genre hervorsticht, dennoch perfekt zur Geschichte passt. Und die Covermotive ähneln sich sehr. Wieder ist es in rosafarbenen Tönen, mit dem Gemälde eines Frauengesichts, deren Lippen besonders hervorgehoben sind. Insgesamt wirkt die Dame etwas reifer als jene auf dem ersten Roman, was insofern nur konsequent ist, als dass es sich bei bei “Unvollkommene Verbindlichkeiten” um eine Fortsetzung handelt. die 5 Jahre später terminiert ist.

 

Mein Eindruck

Mit ihrem Debütroman “Widerrechtliche Inbesitznahme” hat Lena Andersson mich nicht nur schwer beeindruckt, sondern auch nachhaltig zum Nachdenken gebracht. Noch nie zuvor hatte ich ein so ehrliches und kluges Buch über eine liebeskummergeplagte, erwachsene Frau gelesen. Als sich herausstellte, dass es mit “Unvollkommene Verbindlichkeiten” eine Fortsetzung der Geschichte geben wird, stand außer Frage, dass ich diese lesen werde.

Nach fünf Jahren hat sich Ester also von ihrer unglücklichen Liebe zu Hugo erholt und trifft auf den Schauspieler Olof. Nun könnte man ja meinen, Ester hätte aus der Vergangenheit etwas gelernt, nämlich dass es unermessliches Leid mit sich bringt, wenn man sich für einen Menschen, der einem nicht die gleichen Gefühle entgegenbringt wie man selbst diesem Menschen, aufopfert. Aber: Weit gefehlt. Dieses Mal hat es die Protagonistin zudem nicht nur mit einem Mann zu tun, der nicht weiß was er will und ihre Hingabe ausnutzt wann immer es ihm passt, sondern mit einem Mann, der noch dazu verheiratet ist und der von Anfang an klarstellt, dass er a) keine Affäre will und b) seine Frau niemals verlässt. Klare Ansagen, die zur Folge haben, dass man sich diesen Mann aus dem Kopf schlägt, könnte man nun als rational denkender Mensch meinen. Aber wir haben es hier mit Ester zu tun. Und Ester klammert sich an jeden Strohhalm, den Olof ihr hinhält. So beginnt eine langjährige Odyssee einer On-Off-Affäre, durch die Lena Andersson mit gewohnt unterhaltsamen und psychoanalytischen Erzählstil führt.

Sprachlich steht “Unvollkommene Verbindlichkeiten” dem Vorgängerroman in nichts nach. Im Gegenteil: Die Beobachtungsgabe der Autorin ist hier noch ausgefeilter, ihre sprachliche Finesse noch ausgereifter und anspruchsvoller. Aber: Leider fehlte mir im zweiten Teil eine Weiterentwicklung der Protagonistin oder zumindest des Plots. Letztlich liest sich dieser Roman nämlich nicht wie eine Fortsetzung sondern eher wie eine bessere Kopie der “Widerrechtlichen Inbesitznahme”. Immer wieder dachte ich beim Lesen “Oh man, sie verhält sich doch genauso irrational wie in der Beziehung mit Hugo.” Natürlich wollte ich wissen, ob sie wenigstens dieses Mal ihr Happy End bekommt und habe den Roman zuende gelesen, obwohl ich vom Verlauf der Geschichte etwas gelangweilt war. Ich vom Ende nichts vorweg nehmen – nur so viel: Die Autorin bleibt ihrem Stil treu.

Mein Fazit:

Für Leser, die “Widerrechtliche Inbesitznahme” noch nicht gelesen haben, kann ich “Unvollkommene Verbindlichkeiten” definitiv als klischeefreie, kluge und analytische Lektüre über eine unglücklich verliebte Frau empfehlen. Wer sich aber wie ich von diesem Roman eine spannende Fortsetzung des ersten Teils erhofft, wird vermutlich eher enttäuscht sein, da es sich hier eher um eine Wiederholung als um eine Fortsetzung handelt. Unbestritten ist Lena Andersson eine unglaublich talentierte Schriftstellerin, aber ich würde mich freuen, wenn sie uns Leser beim nächsten Buch durch einen anderen Plot begeistert.

 

Vielen Dank an Luchterhand und das Bloggerportal für dieses Rezensionsexemplar.
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