|Rezension| Von hier aus weiter – Susann Pasztor
Ein feinfühliger Roman darüber wie es weitergeht, wenn es eigentlich nicht weitergeht

„Ich habe es bis heute nicht geschafft, um ihn zu trauern. Da ist nichts. Und hinter dem Nichts ist nur Wut.“ (S.119)
Inhalt
Nach dreißig Jahren Ehe ist Marlene plötzlich Witwe, doch statt zu trauern, ist sie vor allem wütend. Die Mitglieder ihrer angeheirateten Großfamilie wundern sich über ihr Verhalten, aber Marlene lässt niemanden an sich heran. Bis sie eines Tages einen unerwarteten Mitbewohner bekommt: Jack ist nicht nur ein begnadeter Koch, sondern stellt auch die richtigen Fragen. Und er ist nicht der Einzige, der Marlene noch mal so richtig aus dem Konzept bringt.
Mein Eindruck
Von Susann Pasztor habe ich vor vielen Jahren “Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts” gelesen, was mir sehr gut gefallen hat. Ihr neuestes Buch “Von hier aus weiter” trägt vielleicht nicht den einprägsamsten Titel, aber die Inhaltsbeschreibung machte mich sofort neugierig. Ein Roman über Trauerbewältigung, der weder ins Kitschige noch ins Düstere abdriftet – geht das? Es geht – und zwar erstaunlich gut.
Schon der Einstieg zeigt, wie virtuos Susann Pasztor die Balance zwischen Tragik und Komik beherrscht: Marlene, die Hauptfigur, wird auf der Trauerfeier ihres verstorbenen Mannes ausgerechnet auf der Toilette eingeschlossen, weil die Tür klemmt. Eine Szene, die man nicht vergisst – weil sie auf schmerzhaft komische Weise so vieles über Marlenes Zustand erzählt: ihre Überforderung, ihre Einsamkeit, ihren Wunsch, stark zu sein – und gleichzeitig ihre Zerbrechlichkeit.
Im weiteren Verlauf entfaltet sich eine Geschichte, die sowohl emotional berührt als auch überraschende Wendungen bereithält. Besonders ein Plottwist gegen Mitte des Romans hat mich vollkommen kalt erwischt – im besten Sinne. Ich habe mit offenem Mund weitergelesen, weil sich plötzlich neue Abgründe auftaten, ohne dass die Geschichte je überladen oder konstruiert wirkte. Und falls sich jemand beim Lesen fragt, ob sich hier etwa eine “Mrs. Robinson”-artige Geschichte anbahnt – keine Sorge: Die Geschichte bleibt glaubwürdig.
Was mich am meisten beeindruckt hat, ist der Umgang mit dem Thema Trauer. Susann Pasztor gelingt es, darüber warmherzig, ehrlich und sensibel zu schreiben – ohne Klischees, ohne Rührseligkeit, ohne Pathos. Marlenes Trauer, ihre Wut, ihr Zynismus, ihr Rückzug, aber auch ihre langsamen Schritte zurück ins Leben sind nachvollziehbar und glaubhaft. Der Roman lebt dabei auch von einer leisen, sehr menschlichen Komik, die immer wieder durchblitzt.
Auch die Figuren tragen viel zum Gelingen des Romans bei. Marlene ist sperrig, unbequem, verletzlich – und gerade deshalb so berührend. Ich mochte sie sofort. Jack, ein junger Mann mit tragischer Familiengeschichte und erstaunlicher Reife, wird zu ihrem Gegenpart – nicht als romantisches Gegenüber, sondern als Mensch, der sie versteht, ohne sie zu bemitleiden. Und dann ist da noch Ida, Marlenes Ärztin, die das Trio vervollständigt. Ich konnte mir beim Lesen lebhaft vorstellen, wie gut sich die Geschichte auch als Film umsetzen ließe.
Mein Fazit:
“Von hier aus weiter” ist ein klug komponierter, tiefgründiger Roman über das Weiterleben nach einem großen Verlust. Susann Pasztor trifft in Ton, Timing und Tiefe genau den richtigen Ton und schafft es, aus einem schweren Thema ein berührendes, stellenweise witziges und letztlich sehr hoffnungsvolles Buch zu machen. Eine Geschichte, die zeigt: Es geht weiter – nicht einfach, nicht schnell, aber irgendwie.