|Rezension| Writers and Lovers– Lily King

von | Jul 16, 2020 | 0 Kommentare

Aller guten Dinge sind drei – oder?

Verlag: C.H. Beck
Übersetzung: Sabine Roth
Originaltitel: Writers & Lovers
Gebundene Ausgabe: 24,00 Euro
Ebook: 17,99 Euro
Erscheinungsdatum: 16.07.2020
Seiten: 319

„Wir gehen so eng nebeneinander, dass wir uns streifen. Eine andere Frau würde einfach seine Hand nehmen und sagen: Küsst du mich jetzt irgendwann mal? Aber diese andere Frau bin ich nicht. Mich überrascht es immer, wenn jemand mich küssen will, selbst dann, wenn dieser Jemand um Mitternacht mit Wein und einer Decke anrückt. Die Menschen ändern ihre Meinung. Zwischen Idee und Wirklichkeit fällt der Schatten.“ (S.172)

Inhalt

Als ihre Mutter plötzlich stirbt und Luke sie aus heiterem Himmel verlässt, verliert Casey den Boden unter den Füßen. Ohne wirklichen Plan landet sie mit einem Schuldenberg aus dem Studium in Massachusetts, wo sie beginnt, als Kellnerin zu arbeiten. Bei ihren Versuchen, sich aus einem Netz von Abhängigkeiten zu befreien, gerät sie immer wieder in Situationen mit Männern, die ihre Macht gegen sie ausspielen. Die einzige Konstante in ihrem Leben bleibt das Schreiben: Der Roman, an dem sie seit sechs Jahren arbeitet, wird ihr Fluchtort, ihr Schutzraum. Aber ist sie mit 31 Jahren nicht zu alt, um sich an den losen Traum eines Lebens als Schriftstellerin zu klammern? Ihre Entscheidung für das richtige Leben ist auch eine Entscheidung zwischen zwei Männern.   

Mein Eindruck

Als ich las, dass C.H. Beck einen neuen Roman von Lily King veröffentlichen wird, habe ich in meinem Büro ein kleines Freudentänzchen aufgeführt. Die letzten drei Jahre habe ich die Verlagsvorschauen immer aufgeregt nach dem 3. Roman von Lily King durchforstet, aber Fehlanzeige. In diesem Jahr habe ich gar nicht mehr daran gedacht – umso größer war deshalb die Überraschung und die Freude, die beim Blick auf das Cover nur noch größer wurde, denn wie fantastisch ist bitte dieses Cover? Für mich ist es ein heißer Kandidat für das Cover des Jahres. Ich liebe es sehr und finde es außerdem lobenswert, dass der deutsche Verlag den Originaltitel „Writers & Lovers“   beibehalten und nicht ins Deutsche übersetzt hat.

Wie der Titel bereits verheißt, geht es in diesem Roman um Schriftsteller und Liebhaber. Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von Casey, die mit Anfang 30 gerade von ihrem Freund verlassen wurde, einen Berg Schulden hat, noch den plötzlichen Tod ihrer Mutter verarbeiten muss und seit 6 Jahren an einem Roman schreibt. Sie hält sich mit einem Kellnerjob über Wasser und wohnt in der Garage eines Bekannten. Man könnte also zusammenfassen: Sie ist absolut am Arsch. Als wäre das Dilemma nicht schon groß genug, treten dann noch mehr oder weniger gleichzeitig zwei Männer in ihr Leben: ein erfolgreicher Schriftsteller, Witwer mit zwei Kindern, der sie vergöttert und ein erfolgloser, unzuverlässiger Schriftsteller, der noch auf dem Selbstfindungstrip ist. Casey muss sich früher oder später nicht nur entscheiden, ob sie an ihrem Traum, Schriftstellerin zu sein, festhält, sondern auch für einen oder keinen der beiden Männer.

Zugegebenermaßen klingt das alles ziemlich klischeehaft und wenig originell. Das Originelle ist wie Lily King diese – vermutlich autobiografisch angehauchte – Geschichte auf einfühlsame und authentische Art und Weise erzählt. Die Zweifel einer jungen Schriftstellerin werden nicht melodramatisch aufgebauscht, sondern mit einer leichten Prise Humor aufgearbeitet. Ebenso gelingt es Lily King immer, die richtigen Worte für zwischenmenschliche Schwebezustände zu finden, die vermutlich viele kennen, aber nicht treffsicher ausformulieren könnten. Zum Beispiel hier: „Ich habe die Nase voll von den Wechselbädern, dem Heiß und Kalt, den Typen, die nicht wissen oder nicht kommunizieren können, was sie wollen. Ich habe die Nase voll von Küssen, die noch den letzten Knochen in meinem Körper zum Schmelzen bringen, gefolgt von zehn Tagen Funkstille, gefolgt von einem beschissenen Armtätscheln an der U-Bahn-Treppe.“

Nur das Ende hat mir den formvollendeten Lesegenuss etwas verleidet. ACHTUNG SPOILER! Es war für meinen Geschmack eine Spur zu happy. Wie sich plötzlich alles fügt und in allen Bereichen zum Positiven wendet, war etwas zu viel des Guten, um noch glaubwürdig zu bleiben. Ich hätte es besser gefunden, wenn zumindest einer der drei Bereiche Schriftstellerkarriere-Brotjob-Liebe keiner glücklichen Fügung ausgesetzt worden wäre. 

Mein Fazit:

Nichtsdestotrotz ist auch Lily Kings dritter Roman .Sie beschreibt in ihm die Phase im Leben, in der einfach alles den Bach runter geht, mit sehr viel Fingerspitzengefühl und der nötigen Prise Humor, um so viel leid zu ertragen. Die einsetzende Kehrtwende, die dem Roman einen sehr versöhnlichen Abschluss beschert, war für meinen Geschmack etwas zu glatt, schmälert den Gesamteindruck von „Writers & Lovers“ aber nur marginal. Ich hab mich so auf einen neuen Roman von Lily King gefreut. Dass sie ihn über eine Schriftstellerin in der Krise schreibt und damit eine Frau in den Mittelpunkt rückt, die sich immer wieder gegenüber Männern abgrenzen/behaupten/reflektieren muss, beweist nur einmal mehr, welch großartiges Gespür sie für spannende Themen hat. 

 
Vielen Dank an C.H. Beck für dieses Rezensionsexemplar.
 
 
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