|Rezension| Euphoria – Lily Beck
Euphoria – der Titel bezieht sich auf die Gefühle beim Lesen!
“Im Grunde behindert die Sprache die Kommunikation, merke ich immer wieder, sie steht im Weg wie ein zu dominanter Sinn. Man achtet viel stärker auf alles Übrige, wenn man keine Worte versteht. Sobald das Verstehen einsetzt, fällt so viel anderes weg. Man beginnt sich ganz auf die Worte zu verlassen, aber Worte sind eben nur bedingt verlässlich.” (S. 83)
Inhalt
Von realen Ereignissen im Leben der berühmten Ethnologin Margaret Mead inspiriert, erzählt Lily King in diesem grandiosen, spannenden und sinnlichen Roman ebenso anschaulich wie klug von Besitz und Begierde, Entdeckung und Macht, Liebe und Herrschaft.
Neuguinea, Anfang der 1930er Jahre. Drei junge Ethnologen – die schon berühmte und faszinierende Amerikanerin Nell Stone, ihr Mann Fen und der Brite Andrew Bankson – stoßen nach Jahren einsamer Feldforschung aufeinander und entwickeln eine leidenschaftliche Dreiecksbeziehung. Erschöpft von den Versuchen, etwas Verwertbares über die Stämme am Sepikfluss herauszufinden, gelangen die drei Forscher zu den Tam, einem weiblich dominierten Stamm mit ungewohnten Ritualen. Während sie immer tiefer in das Leben der Tam eindringen, werden auch ihre unterschiedlichen Wünsche und Interessen immer deutlicher, die erotische Anziehung zwischen Nell Stone und Andrew Bankson immer intensiver. Schließlich schreitet Fen zu einer dramatischen Aktion mit tragischem Ausgang für alle.
Mein Eindruck
Schon der Klappentext von “Euphoria” weist darauf hin, dass die Autorin Lily Beck sich bei ihrem Roman am realen Leben der Ethnologin Margaret Mead inspirieren lassen hat. Auch wenn ich bis dato zugegebenermaßen noch nie etwas von dieser Wissenschaftlerin gehört habe, hat mich gerade dieser Bezug zur Realität neugierig gemacht.
Der Einstieg in die Geschichte fiel mir durch eigenwillige Orts- und Personennamen, an die ich mich erst gewöhnen musste, nicht ganz leicht. Hat man all die Namen aber erst einmal verinnerlicht, entwickelt sich ein derart großer Sog, dass man dieses Buch wirklich kaum noch aus der Hand legen kann. Und dies hat vor allem drei Gründe:
Zum einen wird hier ein für mich vollkommen neuartiges Thema, nämlich die Erforschung unbekannter Stämme in Neuguinea bearbeitet. Als Soziologin habe ich da gewisse Parallelen zu meinem Fachgebiet entdeckt, die meine Neugier nur noch mehr anfeuerten. Lily King beschreibt (vermutlich) auf Grundlage der Aufzeichnungen von Margaret Mead authentisch und spannend die damaligen Forschungsmethoden, beschreibt deren Schwierigkeiten, die Enttäuschungen und Erfolge. Selbst als Leser mit keinerlei Vorkenntnissen auf diesem Gebiet wird man dennoch nicht überfordert, sondern vielmehr auf einem anspruchsvollen Niveau unterhalten.
Der zweite Grund dafür, dass man sich dieser Geschichte nicht entziehen kann, sind die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen den drei Forschern. Lily Beck stattet ihre Protagonisten mit viel Leidenschaft aus – nicht nur für ihren Beruf, sondern auch füreinander, was den wissenschaftlichen Fokus der Geschichte insofern relativiert, als dass der Leser hier auch gefühlsmäßig voll auf seine Kosten kommt. Jeder der drei Charaktere ist sehr speziell und fernab jeglichen Klischees. Deren Beziehung zueinander birgt allein durch ihre Verschiedenheit so viel Zündstoff, dass eine Explosion vorprogrammiert ist. Definitiv ist dieses Dreiecksbeziehung zugleich eine der authentischsten als auch interessantesten, von denen ich je gelesen habe.
Drittens ist es Lily Becks Erzählstil, der “Euphoria” so besonders macht. Mit großer Leidenschaft einerseits und wissenschaftlicher Genauigkeit andererseits, gibt sie Einblicke in die Stammeskulturen Neuguineas der 1930er Jahre sowie in die Seele der “westlichen” Forscher. Dabei greift sie auf eine faszinierende Erzählperspektive zurück: Während zu Beginn ein allwissender Erzähler in den Plot einführt, bei dem die Ethnologin Nell mitsamt ihren Gefühlen im Vordergrund steht, wechselt der Fokus ab dem zweiten Kapitel auf den dritten im Bunde – den Forscher Bankson über, was mir persönlich viel besser gefallen hat, vermutlich weil Banksons Schilderungen die Begegnung mit Nell und deren Mann und seine damit verbundenen Empfindungen stärker gewichtet als die wissenschaftlichen Details seiner Forschung. Unterbrochen wird Banksons Perspektive durch stichpunktartige, gefühlsarme Tagebucheinträge von Nell, welche die Geschichte perfekt ergänzen.
Mein Fazit: