|Rezension| Fuchsteufelsstill – Niah Finnik
Authentisch, poetisch und humorvoll – die perfekte Mischung
„Die Ehe besteht nun mal aus Lügen. Freundlichen zumeist. Aus Verschweigen. Wenn man alles laut sagt, was man über seinen Partner denkt, zerquetscht man ihn zu Brei.“ (S.225)
Worum geht´s?
Die siebenundzwanzigjährige Juli steht mitten im Leben – manchmal sogar ein bisschen zu sehr. Sie ist Autistin und jeder Tag bedeutet eine gewaltige Masse an Emotionen, die es zu meistern gilt. Als Juli nach einem missglückten Suizidversuch auf eine psychiatrische Station kommt, trifft sie dort auf die überschwänglich-herzliche Sophie und auf Philipp, der mal mehr und mal weniger er selbst, aber stets anziehend für Juli ist. Die drei nehmen Reißaus und verbringen ein gemeinsames Wochenende, nachdem nichts mehr so ist wie zuvor.
Cover und Titel
Mein Eindruck
Das erste, das ich nach wenigen gelesenen Seiten von “Fuchsteufelsstill” getan habe, ist die Autorin zu googeln. Ich konnte mir schlichtweg nicht vorstellen, dass jemand, der selbst nicht von Autismus betroffen ist, derart authentisch über diese Krankheit schreibt. Und siehe da: Volltreffer. Niah Finnik ist Autistin und hat damit eine wesentliche Gemeinsamkeit mit ihrer Protagonistin Juli, aus deren Perspektive der Roman erzählt wird. Von Anfang an war ich beeindruckt wie feinfühlig und glaubwürdig das Krankheitsbild “Autismus” von Juli verkörpert wird. Durch die detaillierten Einblicke in ihre Gedanken, die vor allem durch Angst bestimmt sind, wird diese psychische Erkrankung auch für Außenstehende nachvollziehbar.
Dies trifft auch auf die anderen psychischen Erkrankungen, die in diesem Roman eine Rolle spielen, zu. Sophie und Phillip, die Juli auf einer psychatrischen Station kennenlernt, werden mit ihren Eigenheiten, die ihre speziellen Erkrankungen mit sich bringen, ebenso glaubwürdig dargestellt. Man spürt wie viel Liebe die Autorin in die Gestaltung ihrer Figuren investiert hat.
Daneben überzeugt Niah Finnik durch ihre Art zu Erzählen: Die Sprache ist sehr poetisch ohne den Bezug zur Realität zu verlieren. Ich habe zig Textstellen markiert, die sprachlich so schön waren, dass man sie immer und immer wieder lesen möchte. Daneben schwingt immer eine Prise Humor mit, die der Geschichte trotz des ernsten Themas die nötige Leichtigkeit gibt.
Der Plot ist originell, auch wenn objektiv betrachtet nicht viel passiert. Aber eine Aneinanderreihung von unerwarteten Ereignissen hat dieser Roman auch gar nicht nötig. Es geht vielmehr um den Kampf mit den eigenen Ängsten, das Zwischenmenschliche, den Umgang mit psychisch Erkrankten und deren Platz in der Gesellschaft. Und natürlich auch um die Liebe, die ja von Natur aus schon nicht einfach ist, zwischen Menschen mit psychischen Erkrankungen aber erst recht nicht.
Die Message des Buches wird immer wieder deutlich: “Niemand ist normal, ohne verrückt zu sein.” Das ist sicher keine neue Sichtweise, aber sie wird in “Fuchsteufelsstill” sehr charmant transportiert, ohne die “Verrückten” ins Lächerliche zu ziehen. Mit viel Feingefühl zeigt Niah Finnik wie Betroffene ihre psychische Erkrankung wahrnehmen, wie sie durchaus in der Lage sind, diese zu reflektieren und sie lernen mit ihr den Alltag zu bestreiten. Aber sie zeigt auch, welche scheinbar harmlosen Geschehnisse das mühsam hergestellte Gleichgewicht eines Betroffenen ins Wanken bringen.
Mein Fazit:
“Fuchsteufelsstill” ist ein Roman, der mich noch lange beschäftigen wird. Er hat mir neue Perspektiven und Erkenntnisse geschenkt, für die ich dankbar bin. Die Geschichte profitiert von den authentischen Figuren und Niah Finniks feinfühligen und poetischen Erzählstil. Ein wirklich ganz besonderes und ausdrucksstarkes Buch, nicht nur für Betroffene der erwähnten Krankheiten, sondern vor allem für die vermeintlich “Normalen”, die gewillt sind, mal über den Tellerrand hinauszuschauen.