|Rezension| Glückliches Ende – Isaac Rosa

von | Mrz 20, 2021 | 0 Kommentare

Was von einer großen Liebe übrig bleibt…

Verlag: Liebeskind
Originaltitel: Feliz final 
Übersetzung: Marianne Gareis
Gebundene Ausgabe: 22,00 Euro
Ebook: 16,99 Euro
Erscheinungsdatum: 18.01.2021
Seiten: 352

„Es ist schwer, Liebe in Worte zu fassen, ohne dabei zu denken, dass alles schon gesagt ist, dass wir nichts anderes tun, als überlieferte Sprüche zu wiederholen, Dialoge in Kinofilmen. Es ist schwer zu lieben, ohne zu erwarten, dass im nächstbesten Moment die Scheißgeigen erklingen. Es ist sogar schwer zu vögeln, ohne zu erkennen, dass man Stellungen aus dem Kino imitiert, dass selbst das Stöhnen geliehen ist. Die scheußliche ironische Distanz, die alles verseucht, eine schnelle Nummer genauso wie eine Beerdigung.“ (S.311)

Inhalt

Auch wenn jede unglückliche Ehe auf ihre eigene Weise unglücklich ist, gleichen sie einander. Die Geschichte von Ángela und Antonio geht wie die vieler Paare: Sie verlieben sich, leben einen Traum, haben Kinder, werden in den Mühlen des Alltags zerrieben, bringen irgendwann nicht mehr die Kraft und die Geduld auf, sich auf den anderen einzulassen, Misstrauen und Eifersucht machen sich breit … Nach ihrer Trennung stellen sich Ángela und Antonio verzweifelt die Frage, wie es so weit hatte kommen können. Abwechselnd ergreifen sie das Wort, um ihre gescheiterte Ehe einer Autopsie zu unterziehen. Jeder erzählt von der schleichenden Erosion der Liebe, von verlorenen Träumen und den sich verändernden Lebensbedingungen. Und von den unzähligen Versuchen, der eigenen Unzulänglichkeit Herr zu werden und über die des anderen hinwegzusehen …
Isaac Rosas Roman »Glückliches Ende« ist ein kunstvoll konstruiertes, eindringliches Buch über die Liebe im 21. Jahrhundert. Jede unglückliche Ehe ist auf ihre Weise unglücklich, aber in jeder gescheiterten Beziehung steckt immer auch ein Stück Unbehagen gegenüber der Welt.

Mein Eindruck

Isaac Rosa gilt als wichtige Stimme der spanischen Gegenwartsliteratur. Ich muss gestehen, dass mir der Autor bisher nicht bekannt war. Ich habe diesen Roman also nicht wegen seines Autors ausgewählt, sondern weil mich der Titel “Glückliches Ende” neugierig gemacht hat. Der Klappentext hat mich letztlich vollends davon überzeugt, diesem Buch eine Chance zu geben, denn ich habe eine Schwäche für Beziehungsromane und war gespannt auf die Umsetzung durch einen männlichen Autor. Die meisten Beziehungsromane, die ich bisher gelesen habe, waren von Frauen geschrieben.

Ich startete also mit “Glückliches Ende” und legte es nach 20 Seiten wieder weg. Es hat mich zu Beginn nicht gecatcht. Alles wirkte ein wenig langatmig und trist noch dazu. Ich las also erst einmal ein anderes Buch und obwohl die Chance, dass ich ein abgebrochenes Buch überhaupt nochmal zur Hand nehme, wirklich gering ist, ließ mich dieser Roman irgendwie doch nicht los und ich gab ihm eine zweite Chance. Ausschlaggebend dafür war vor allem sein originelles Konzept (die Eheleute rechnen nach der Trennung miteinander ab und arbeiten ihre Beziehung in einer Art Briefroman in abwechselnder Perspektive auf) und die besondere Sprache des Autors, denn dieser Roman bot endlich mal wieder schöne Sätze! Sätze, die man sich sofort markiert und die im Kopf bleiben. Ich habe schon lange keinen sprachlich so ansprechenden Roman mehr gelesen.

Dran zu bleiben, hat sich also gelohnt, auch wenn dieser Roman Längen hat, die verzichtbar gewesen wären. 50 Seiten weniger hätten der Geschichte meines Erachtens gut getan. Nichtsdestotrotz ist “Glückliches Ende” sehr lesenswert. Isaac Rosa lässt seine Protagonisten schonungslos offen über ihre Ehe philosophieren und debattieren. Jeder Mensch, der in einer langen Beziehung steckt oder steckte, kann erahnen: Das tut weh. Das tut nicht nur dem jeweiligen Gegenüber weh, sondern auch dem Leser. Sehr eindrucksvoll werden die Fallstricke moderner Partnerschaften aufgezeigt, die unter dem Einfluss der Leistungs- und Konsumgesellschaft stehen. Es geht genauso um die klischeehaften, kleinen Streitereien im Alltag wie um die großen, schwerwiegenden Probleme. Dabei wird von den Protagonisten immer wieder reflektiert wie klischeehaft ihre Probleme doch sind, was dem Ganzen zusätzliche Würze verleiht. Man kennt das doch auch aus eigenen Partnerschaften oder aus Erzählungen im Freundeskreis: Man schämt sich schon fast dafür, von seinen Problemen zu erzählen, da sie so klischeehaft sind. Wofür sich die Beiden ganz und gar nicht schämen, ist immer wieder zu betonen, wie groß, innig und besonders ihre Liebe zu Beginn war. Entgegen aller negativen Stimmen und schlechten Vorzeichen haben sie zusammengefunden, sich sehr innig und leidenschaftlich geliebt. Aber leider sind große Gefühle füreinander noch keine Garantie für ein glückliches Leben “bis dass der Tod uns scheidet”.

In “Glückliches Ende” spielen sich keine großen Dramen ab, vielmehr ist es der Alltagsdruck, sind es die über die Jahre sich anhäufenden kleinen und großen Probleme, die – und hier kommt ein schöne Metapher aus dem Roman – nicht weggeräumt werden, sondern als Schuttbrocken mitten im Wohnzimmer liegen bleiben und knirschen, wenn man drauf tritt oder unter das Sofa gekehrt werden. Irgendwann ist der Haufen Schutt dann so groß, dass er nicht mehr unter das Sofa passt. Dann lässt man ihn entweder liegen und zieht in eine neue Wohnung oder man trägt ihn Stück für Stück ab. Aber wer hat nach Jahren voller kleinen Verletzungen schon noch die Energie, sich die Arbeit des Abtragens zu machen? Ist es da nicht viel verlockender, in eine neue, saubere Wohnung zu ziehen? Vor dieser Frage steht auch das Paar in “Glückliches Ende”. Entsprechend des Titels des Romans fragt sich der Leser bzw. die Leserin natürlich “Welche der beiden Wege ist denn nun das glückliche Ende?“

Mir hat ausgesprochen gut gefallen, wie intelligent und unterhaltsam Isaac Rosa moderne Partnerschaften seziert. Auch wenn man vermuten könnte, dass dieser Roman aufgrund der Thematik eher deprimierend wirkt, ist genau das Gegenteil der Fall. Die Selbstreflexion der Protagonisten, die ihr Verhalten rückblickend selbst nahezu lächerlich finden und das Identifikationspotenzial a la “Andere haben auch solche Probleme” machen diesen Roman vielmehr zu einer tröstlichen Lektüre. Vielleicht wirkt er auf manche auch als abschreckendes, mahnendes “So will ich nicht enden”-Beispiel.

Mein Fazit:

In “Glückliches Ende” zeigt Isaac Rosa exemplarisch an einem Paar in der spanischen Wirtschaftskrise die Probleme einer modernen Partnerschaft auf. Trotz ihrer Beispielhaftigkeit sind die Protagonisten allerdings auch als Individuen sichtbar, die an einem Alltag mit Existenzängsten, Care-Arbeit und hohen Ansprüchen an sich selbst, scheitern. Der zwar manchmal etwas ausschweifende, aber trotzdem spannende analysierende Blick auf eine Ehe, die vom Ende zum Anfang erzählt wird, ist eine Bereicherung für alle Menschen, die in langen Partnerschaften sind, waren oder (wieder) sein möchten. 

Vielen Dank an den Liebeskind Verlag für dieses Rezensionsexemplar.
 
 
Weitere Rezension zum Buch:
Share This