|Rezension| Ich hasse Menschen. Eine Art Liebesgeschichte – Julius Fischer

von | Jul 6, 2021 | 0 Kommentare

Ich hasse Menschen, aber ich liebe dieses Buch!

Paperback: 15,00 Euro
Ebook: 8,99 Euro
Erscheinungsdatum: 21.05.2021
Seiten: 272

„Zu Weihnachten musste ich jetzt nicht mehr beide Familien besuchen. Wie ich das gehasst habe. Das Rumgefahre. Und dabei permanent das schlechte Gewissen, welche Familie dieses Mal den Vorzug an Heiligabend erhält. Für mich als Scheidungskind natürlich der totale Partyspaß. Weihnachten ist auch ohne Familie stressig genug. Dann die Geschenke. Als wäre es nicht schon genug, für eine Gruppe von quasi Unbekannten irgendwas Belangloses im Bereich Kräutermischung oder Öle herauszusuchen. Und dann noch die Geschenke für Peggys Familie. Ob ich glaube, dass sich ihr Bruder über die Trekkingsocken freut. Was weiß denn ich. Er wird auf jeden Fall so tun. Es ist Weihnachten. Das Fest der Lügen.“ (S.23)

Inhalt

Julius Fischer hasst Menschen. Angefangen bei der eigenen Ehefrau. Familie geht auch gar nicht. Noch ätzender sind eigentlich nur Freunde. Und natürlich Bekannte. Die sind am schlimmsten. Aber nichts im Vergleich zu allen anderen. In diesem Buch erzählt er von seinen verzweifelten Versuchen, mit diesen ganzen Arschlöchern nichts zu tun zu haben. Und von Ostsachsen. Was es nicht besser macht.

Mein Eindruck

Da ich Julius Fischers Hass auf Menschen teile, habe ich bereits den ersten Teil seiner verschriftlichen Misanthropie “Ich hasse Menschen. Eine Abschweifung” gelesen und mich bei der Lektüre ebenso amüsiert wie bei der dazugehörigen Lesung des Autors in Jena. Deshalb lag es auf der Hand, dass ich nun auch “Ich hasse Menschen. Eine Art Liebesgeschichte” – ein zugegebenermaßen verwirrender Titel – lesen muss.

Gleich zu Beginn gab es ein nettes Déjà-vu: Wer den ersten Teil gelesen hat, wird sich an die Möhre essende Person im Zug erinnern. Im 2. Teil gibt es nun eine Apfelfrau im Bus, die Julius Fischer, der natürlich auch hier wieder der Ich-Erzähler ist, den letzten Nerv raubt.  Dieses Mal begleiten wir den Autor auf einer Busfahrt in die sächsische Provinz zur Testamentseröffnung seines Opas. Dieser hat ihm das “Deutsche Haus” vererbt – ein Gaststätte irgendwo im Nirgendwo mit so viel Charme wie der Name es bereits erahnen lässt.  

Was mir an dieser Fortsetzung von “Ich hasse Menschen” besser gefallen hat als beim ersten Teil, ist ihre stringente Handlung. Während ich bei Teil 1 noch das Gefühl hatte, Fischer erzählt zusammenhanglose Episoden, gibt es hier einen richtigen Plot – mit einem sehr gelungenen Finale.

Dieses Mal konzentriert sich der Hass des Autos auf ein kleines, sächsisches Dorf (namens „Sucknitz“ – it sucks!) bei “Untermeuthen” (wenn das mal keine Anspielung ist!). Nun hat Julius Fischer als gebürtiger Sachse einen großen Vorteil: Ihm nimmt man es nicht übel, wenn er sich über das Leben in der sächsischen Provinz lustig macht. Und das macht er in allen Bereichen, aber vor allem fokussiert auf die Menschen: seien es die rechtsradikalen Vereinigungen, korrupte Beamte, argwöhnische und mürrische Nachbarn oder an der Bushaltestelle herumlungernde Jugendliche. Auch wenn natürlich alles sehr überspitzt und ironisch dargestellt ist, enthält dieses Buch (leider) viele Wahrheiten und eine sehr deutliche politische Stellungnahme des Autors gegen Rechts. Letzteres ist keine Überraschung, aber dennoch lobens- und erwähnenswert. 

Ich lese normalerweise keine humorvollen Bücher, weil ich 95% der Titel, die in diese Sparte fallen, schlichtweg nicht lustig, sondern eher zum Fremdschämen a la Mario Barth finde. Julius Fischer kannte ich bereits als Poetry Slammer und wusste deshalb, dass er zu den elitären 5% gehört. Sein Humor wirkt nie erzwungen. Vielmehr hat man das Gefühl, man sitzt mit seinem Kumpel in der Kneipe und er erzählt eine witzige, (wenn auch überspitzte) Geschichte, die ihm widerfahren ist. Es sind die eigenen misanthropen Züge, die man beim Lesen wiedererkennt. Auch wenn weder Julius Fischer noch ich alle Menschen hassen, gibt es doch genügend hassenswertes Material auf diesem Planeten. In diesem speziellen Fall sind es nun einmal die Dorfbewohner in Sachsen. Ein schönes Zitat aus dem Buch: “Ich bin kein Bauer, kein Nazi und kein Hippie. Da wird es schwierig mit Small Talk.” (S.6) 

Was es mit dem verwirrenden Untertitel auf sich hat, möchte ich nicht verraten. Nur so viel: Menschen zu hassen, schließt nicht aus, dass man manche Menschen auch lieben kann. Ja, dieser Roman enthält tatsächlich auch eine Liebesgeschichte. 

Mein Fazit:

 
Wer “Ich hasse Menschen. Eine Abschweifung” mochte, wird “Ich hasse Menschen. Eine Art Liebesgeschichte” lieben. Julius Fischer bleibt sich treu und schafft mit bitter-bösen Humor und viel Wortwitz eine unterhaltsame Geschichte über die Bewohner eines sächsischen Dorfes. Es ist die perfekte Lektüre für Nazis verachtende Misanthropen und solche, die es werden wollen. (Wobei ich nach 1,5 Jahren Pandemie nicht verstehen kann, wie man keine Menschen hassen kann. Aber das ist ein anderes Thema…)
Vielen Dank an Voland  & Quist für dieses Rezensionsexemplar.
 
 
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