|Jahresrückblick| Die 12 besten Bücher in 2017
Früher gab es an dieser Stelle immer einen ausführlichen Jahresrückblick mit Statistiken zu gelesenen Büchern/Seiten, den Tops und Flops, beliebteste Beiträge, usw. Aus Zeit- und Lustgründen gibt es dieses Mal eine schlichte Zusammenstellung meiner zwölf liebsten Bücher des vergangenen Jahres, denn schließlich sehe ich das als Hauptaufgabe meines Blogs: Ich möchte tolle Bücher empfehlen! Wen interessieren da Zahlen zu meinem Blog oder die literarischen Enttäuschungen des Jahres?
Ich wünsche euch viel Spaß beim Stöbern durch meine belletristischen Highlights in 2017! Mit Klick auf das jeweilige Cover gelangt ihr zur ausführlichen Rezension des Buches.
Arno Orzessek – Schattauers Tochter
“Schattauers Tochter” ist ein Backlist-Titel des Steidl Verlags auf den ich wohl nie selbst gestoßen wäre, den mir aber das Christkind unter den Weihnachtsbaum gelegt hat, wofür ich bis heute sehr dankbar bin. Orzesseks 650-Seiten-Epos über 70 Jahre deutsche Geschichte ist ein Werk, das dem Leser im Kopf bleibt und so komplex ist, dass es auch nach mehrmaligen Lesen noch Neues zu entdecken gibt. Orzesseks kompromisslose Sprache sowie zwei spannende Handlungsstränge, die am Ende zu einem großen Ganzen werden, machen diesen Roman trotz dessen, dass es sich um keine leichte Kost handelt, zu einem großen Lesevergnügen.
Lauren Groff – Licht und Zorn
Dieser Roman ist mir vor allem deshalb nachhaltig im Gedächtnis geblieben, weil ich mich bis zur Hälfte des Buches gefragt habe, was denn nun so besonders an dieser Geschichte (die alle in den höchsten Tönen gelobt haben) ist. Erzählt wird die Geschichte einer Ehe aus der Perspektive von beiden Eheleuten, wobei Groff sich nicht für die oft genutzte wechselnde Perspektive entscheidet, sondern die komplette Geschichte erst aus männlicher und dann aus weiblicher Sicht erzählen lässt. Als ich am Ende des Buches angelangt war, war ich baff, geplättet, desillusioniert und wollte am liebsten wieder von vorn anfangen und mit meinem jetzigen Wissen die männliche Perspektive noch einmal lesen. Und das werde ich wohl auch machen. Denn dieser Roman ist einfach meisterlich konstruiert und vermutlich entdeckt man auch nach zehnmaligen Lesen noch neue Zusammenhänge, die man aufgrund seiner Komplexität nach einmaligen Lesen gar nicht alle aufdecken kann.
Jan Schomburg – Das Licht und die Geräusche
“Das Licht und die Geräusche” hat für mich nicht nur aufgrund seines Inhaltes eine große Bedeutung, sondern auch, weil ich Jan Schomburg im Rahmen der Leipziger Buchmesse treffen durfte und damit eine noch intensivere Beziehung zum Buch und spannende Einblicke in die Hintergründe des Romans gewonnen habe. Er erzählt in seinem Debütroman in angenehm unaufgeregten leisen Tönen und einer unverstellten Sprache von drei Freunden und ihrer Beziehung zueinander, von moralischen Dilemmata und scheinbar ausweglosen Situationen. Seine differenzierten Charaktere und der dramaturgische Aufbau machen diesen Roman zu einem nachhaltig eindrucksvollen Leseerlebnis.
Lena Andersson – Widerrechtliche Inbesitznahme
Bei diesem Roman muss ich gleich mit der Tür ins Haus fallen: Ich habe noch nie einen Roman gelesen, der die Situation einer unglücklich verliebten Frau derart präzise portraitiert. Es ist faszinierend und erschreckend zugleich wie oft man sich als Frau in diesem Buch, in Esthers Gedanken, wiederfindet. Obwohl die Autorin eine Geschichte erzählt, die so schon tausendfach erzählt wurde, ist dieser Roman anders: Der Schreibstil ist prägnant und anspruchsvoll, die Sprache philosophisch, manchmal gar aphoristisch. Allen voran ist es ein tröstliches Buch, weil es zeigt, dass man mit seinem scheinbar irrationalem Verhalten während einer schlimmen Liebeskummerperiode nicht alleine ist.
Lily King – Vater des Regens
In “Vater des Regens” zeigt Lily King, dass familiäre Bindungen nicht nur positive Auswirkungen, sondern auch selbstzerstörerische Kräfte haben können, denen sich vor allem die Kinder kaum entziehen können. Die Autorin beweist einmal mehr welche kluge Beobachterin sie und schreibt trotz leiser Töne einen gewaltig nachhallenden Roman. Für mich gehört Lily King zu den besten Autorinnen der Gegenwart und auf ihren nächsten Roman freue ich mich schon jetzt.
Claire Fuller – Eine englische Ehe
“Eine englische Ehe” ist ein tiefgründiges und melancholisches Portrait einer Beziehung, die über die Jahre einen tragischen Verlauf nimmt. Claire Fullers unaufgeregter Schreibstil und ihre differenzierten Charaktere gepaart mit einer spannenden – fast kriminalistisch angehauchten – Rahmenhandlung machen diesen Roman zu einer lesenswerten und eindrücklichen Lektüre.
Lionel Shriver – Wir müssen über Kevin reden
Selten habe ich einen Roman dieses Umfangs (knapp 600 Seiten) gelesen, bei dem ich mich keine Sekunde gelangweilt habe. Hier ist kein Wort zu viel. „Wir müssen über Kevin reden“ ist keine schöne Lektüre, aber ein durchaus wichtige und lesenswerte. Lionel Shrivers Auseinandersetzung mit der „Amoklauf“-Thematik ist beeindruckend vielfältig und feinfühlig, wodurch diesem Roman eine beängstigende Tiefe verliehen wird, die noch lange im Leser nachhallt. Definitiv ist das ein Buch, das man nicht mehr vergisst, wenn man es einmal gelesen hat.
Connie Palmen – I.M.
Connie Palmen ist für mich DIE Entdeckung des Jahres. Ich habe keine Ahnung wie mir diese großartige Autorin, die schon Jahrzehnte als Autorin arbeitet, bisher durch die Lappen gehen konnte, bin aber unheimlich froh, dass ich sie dank Twitter und Co. im Sommer diesen Jahres entdeckt habe. “I.M.” von Connie Palmen ist nicht nur die authentische (autobiografische) Geschichte einer intensiven Liebe zwischen zwei starken Künstler-Persönlichkeiten; sie ist gleichzeitig auch eine sehr ernsthafte Auseinandersetzung mit der Endlichkeit des Lebens, die ungeschönte und tiefe Gefühle auf anspruchsvolle Weise preisgibt.
Alice Adams – Als wir unbesiegbar waren
Es gibt Romane, da fehlen einem die Worte, die beschreiben, wie verdammt gut er ist und man möchte eigentlich nur einen Satz schreiben: Lest dieses Buch! “Als wir unbesiegbar waren” ist ein solcher Roman, an den ich keine großen Erwartungen hatte, der mich aber ab der ersten Seite für sich eingenommen und nachhaltig bewegt hat. Alice Adams Geschichte von vier Freunden, deren Wege sich trotz unterschiedlicher Lebensentwürfe immer wieder kreuzen, ist ein feinfühlig und unterhaltsam erzählte Ode an die Freundschaft und eine mutmachende Lektüre, die zeigt, dass es sich lohnen kann, sich seinem Schicksal nicht zu ergeben.
Joanne Fedler – Wovon wir nicht sprechen
Auf sehr originelle und kluge Art wird eine eingängige und außergewöhnliche Geschichte erzählt, in deren Fokus Opfer von häuslicher Gewalt einerseits und das persönliche Schicksal einer mit diesen Opfern arbeitenden Frau andererseits stehen. Ich wünsche mir, dass dieser Roman noch viele Leser findet, weil hier ein so wichtiges Thema behandelt wird, wovon wir nicht mehr nicht sprechen sollten.Wer wie ich bisher nur “Weiberabend” – einen unterhaltsamen, recht leicht verdaulichen Frauenroman – von Joanne Fedler kannte, wird überrascht sein, wie anders sich die Autorin in “Wovon wir nicht sprechen” präsentiert. Nicht nur ist die Thematik erheblich schwieriger, auch der Plot ist komplexer und die Charaktere vielschichtiger. Auch sprachlich konnte mich Joanne Fedler durch den originellen Mix aus derben Ausdrücken und sehr klugen, fast schon philosophischen Gedanken beeindrucken. Ich verstehe gar nicht, warum diesem wichtigen und spannenden Roman bisher so wenig Beachtung geschenkt wurde.
Ayelet Gundar-Goshen – Lügnerin
Mit “Lügnerin” von Ayelet Gundar-Goshen habe ich kurz vor Jahresende noch eines der besten Bücher des Jahres lesen dürfen. Die Sprachgewalt der Autorin gepaart mit einer originellen und unterhaltsamen Story, die einen spannenden Einblick in die Psychologie des Lügens gibt, machen diesen Roman zu einem ganz besonderen Lesevergnügen. Ich hoffe und wünsche mir, dass ihm noch viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird!
Niah Finnik – Fuchsteufelsstill
“Fuchsteufelsstill” ist ein Roman, der mich noch lange beschäftigen wird. Er hat mir neue Perspektiven und Erkenntnisse geschenkt, für die ich dankbar bin. Die Geschichte profitiert von den authentischen Figuren und Niah Finniks feinfühligen und poetischen Erzählstil. Ein wirklich ganz besonderes und ausdrucksstarkes Buch, nicht nur für Betroffene der erwähnten Krankheiten, sondern vor allem für die vermeintlich “Normalen”, die gewillt sind, mal über den Tellerrand hinauszuschauen.